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Mit Käpt´n Baubär ins Phantasieland Zamonien

„Criesu“ spielt an der Gesamtschule in Hahn Schwarzes Theater

Sterne tauchen aus dem Dunkel auf, ein Zirkel tanzt Ballett und Puppen bewegen sich scheinbar schwerelos über die Bühne. Dies und noch viel mehr ermöglicht das Schwarze Theater, bei dem schwarz gekleidete Akteure vor schwarzem Hintergrund aus Samt Gegenstände in einem Lichtkorridor bewegen.

Criesu ist eine Theatergruppe der Integrierten Gesamtschule Obere Aar in Taunusstein. Criesu hat jedoch eine Besonderheit: Bei ihr sieht man keine konventionellen Stücke, sondern ausschließlich Schwarzes Theater und Pantomime.

In diesem Sommer hatte, nach rund zweijähriger Vorbereitung, ihre neueste Produktion Premiere: „Käpt´n Blaubärs Abenteuer“. Blaubär entführt seine am Ende begeistert applaudierenden Zuschauer ins Phantasieland Zamonien, erlebt dort vielerlei Abenteuer mit Piraten, Klabautern und sogar Drachen, bevor er schließlich sein Glück in Atlantis findet.

Criesu ist eine Gruppe junger Menschen, die ihre oft ganz unterschiedlichen Talente in die Arbeit an einer neuen Produktion einbringen. Mittelstufenschüler der Hahner Gesamtschule sind ebenso dabei wie Oberstufenschüler, die sich am Gymnasium in Bleidenstadt auf ihr Abitur vorbereiten. Zu Criesu gehören immer aber auch ehemalige Schüler, die ihrer Theatergruppe auch während des Studiums oder einer Ausbildung treu bleiben.

Am wichtigsten sei die Gruppe, wird Hans-Jürgen Rosenplänter, der Leiter und Gründer von Criesu, nicht müde zu betonen. Ihr Zusammenhalt zeichne die Theatergruppe aus, stellt der Lehrer an der Gesamtschule Hahn nicht ohne Stolz fest, der Umgang miteinander und die Zusammenarbeit der ganz unterschiedlichen Lebensalter.

Die Entstehungsgeschichte von Criesu ist interessant: 1986 hatte die Klasse 6c an der Integrierten Gesamtschule Obere Aar die Idee, zusammen mit dem Schriftsteller Hans-Christian Kirsch (Frederik Hetmann) im Rahmen des Projektes "Wald" ein Theaterstück aufzuführen. So begann mit „Birk oder die Reise durch den Zauberwald“ die Geschichte von Criesu. Es folgte das Marionettenstück „Die Zaubermelodie", bei dem die Puppenbauerin Solveig Werner mitwirkte. Anschließend beteiligten sich die Mitglieder von Criesu an einem Projekt mit der Maskenbildnerin Michaela Feil, die dann auch bei „Das Amulett des Gauklers“ für Kostüm und Maske verantwortlich zeichnete. Danach kam das Musical „Weiber auf den Scheiterhaufen“ auf die Bühne.

Die Technik des Schwarzen Theaters ist zwar aufwändig, ermöglicht aber auch denen, die nicht im Rampenlicht stehen möchten, mitzuspielen. Dies sei eine Chance für jedes Talent, hat Rosenplänter im Laufe der mehr als zwei Jahrzehnte immer wieder erlebt. So mancher Schüchterne, der erst nach langem Zureden bereit war, sich „im Schwarzen“ auf die Bühne zu wagen, spielte einige Produktionen später ganz selbstverständlich „im Licht“. So könne jeder seine Kreativität ausleben, sagt Rosenplänter, sich weiterentwickeln, zu einer Persönlichkeit reifen.

Die Spielerinnen und Spieler von Criesu engagieren sich zum Teil über viele Jahre in der Gruppe, so dass immer Akteure der unterschiedlichsten Jahrgangsstufen gemeinsam arbeiten und spielen. Dabei leiten dann auch die älteren Schülerinnen und Schüler die jüngeren in den einzelnen Sparten des Schwarzen Theaters, zum Bespiel Pantomime oder Puppenspiel, selbst an.

 

Erste Formen des Schwarzen Theaters konnte man bereits vor Jahrhunderten in Fernost begegnen. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts entstand in Japan eine Theaterform, die nach dem Puppenspieler Uemura Bunrakuken „Bunraku“ genannt wird. Bis zu 1,50 Meter große Puppen wurden von drei Spielern geführt. Zwei von ihnen waren komplett in schwarze Kleidung gehüllt und bewegten die linke Hand und die Beine der Puppe.

Der Münchner Schauspieler und Regisseur Max Auzinger fand 1885 durch Zufall die Methode des schwarzen Kabinetts. Er steckte einen schwarz gekleideten und geschminkten Schauspieler als Mohren in die zu einem schwarzen Kerker umgebaute Bühne. Alles, was die Zuschauer jetzt noch sahen, waren zwei Reihen weißer Zähne, die über die Bühne wanderten und für einen Heiterkeitserfolg sorgten. Die Geschichte des Schwarzen Theaters, wie es in Prag praktiziert wurde, ist jünger: Im Jahre 1955 sah die tschechische Gruppe "Salamander" vom Marionettentheater "Spejbl und Hurvinek" in Paris eine Vorstellung des französischen Puppentheaters George Lafay, der erstmals das „schwarze Kabinett" im Puppentheater einsetzte. Die Prager Puppenspieler brachten diese Technik in ihre Heimat mit und experimentierten dort weiter. Die Geburtsstunde der ersten Gruppe des „Schwarzen Theaters Prag“ schlug im Jahre 1959. Bedrich Hanys trat 1960 mit dem Diplom der Akademie der Musischen Künste in der Tasche der Gruppe bei. Nach einem weiteren Jahr stieß Dana Bufkova, Absolventin der gleichen Akademie, zur Truppe. Zu Beginn der sechziger Jahre unternahmen Hanys und Bufkova zusammen mit ihrer zahlreiche Tourneen im In- und Ausland: Warschau, London, Paris und 18 Monate Las Vegas ("Tropicana"). Beide waren von 1966 bis 1967 in der Prager "Laterna Magica" tätig und parallel dazu gründen sie im Herbst 1967 die „Velvets“.

Criesu begegnete den „Velvets“, die sich 1970 in Wiesbaden niederließen, erstmals 1990 bei einem Seminar zum Schwarzen Theater an der IGS Obere Aar. Den starken Eindruck, den dieses Seminar hinterließ, zeigen alle weiteren Produktionen: „Balance“, „Kaleidoskop", „Orpheus in der Unterwelt“ mit eigener Criesu-Band, „Momente der Ewigkeit“ nach Hermann Hesses „Piktors Verwandlungen" und schließlich „Der Engel und der kleine Krieger“ wurden als Schwarzes Theater präsentiert.

Die Liste der überaus erfolgreichen Produktionen ist im Laufe der Jahre immer länger geworden: „Die Reise zum Mond“ nach Cyrano de Bergerac und Tolkiens „Der kleine Hobbit“, "Pierrot oder Die Geheimnisse der Nacht", "In 80 Tagen um die Welt" nach Jules Verne und das französische Märchen "Die Schöne und das Tier".

 

Die Poesie und die Faszination, die Criesu-Stücke auszeichnet, seien „Illusionen bei 400 Nanometer“, sagt Hans-Jürgen Rosenplänter über die Technik des Schwarzen Theaters. Voraussetzung dafür ist eine mit schwarzem Samt ausgeschlagene Bühne und ebenso vermummte Schauspieler. Da die schwarz gekleideten Schauspieler im Dunkeln vor einem schwarzen Hintergrund spielen, bleiben sie für die Zuschauer unsichtbar. In einer scharf abgegrenzten Lichtgasse werden von ihnen Objekte und Puppen so geführt, dass diese sich scheinbar frei im Raum bewegen und nicht mehr an einen Ort gebunden sind. So lassen sich erstaunliche Illusionen schaffen.

Im Gegensatz zum Schwarzen Theater ist bei Schwarzlichttheater die Bühne vollkommen verdunkelt. Als einzige Lichtquelle dienen hier UV-Lichtröhre, die dann weiße oder fluoreszierende Gegenstände oder Kleidungsstücke zum Leuchten bringen. Schwarze Farbe hingegen wird „geschluckt“, so dass schwarz gekleidete Spieler unsichtbar bleiben. Auf diese Weise können Menschen und Gegenstände zum Verschwinden oder Schweben gebracht werden.

Doch bis der kleine Hobbit, Käpt´n Blaubär oder die Schöne und das Tier ihre Abenteuer auf der Bühne der Hahner Gesamtschule erleben können, erleben die Mitglieder von Criesu von Produktion zu Produktion immer wieder neue Abenteuer. Denn nicht nur die Stücke werden selbst für das Schwarze Theater eingerichtet und umgeschrieben, auch die Kostüme und Kulissen sind selbst gemacht, jedes Detail über Wochen und Monate hin ausgeklügelt und verfeinert. So werde das Selbstbewusstsein jedes Mitglied entwickelt und gestärkt, ist Rosenplänter überzeugt. Die Entwicklung jedes Stückes und der daran teilhabenden Mitglieder sei ein langwieriger Prozess. Dazu gehört dann auch das Ritual vor jeder Aufführung, wenn sich die Gruppe hinter dem Vorhang an den Händen fasst und fest verspricht, füreinander da zu sein. Erst danach hebt sich der Vorhang und Käpt´n Blaubär entführt seine Zuschauer in das Phantasieland Zamonien.

Jahrbuch des Rheingau-Taunus-Kreis 2010 (Mathias Gubo)