Sterne tauchen aus dem Dunkel auf, ein Zirkel tanzt Ballett und Puppen bewegen sich scheinbar selbstständig über die Bühne. Dies und noch viel mehr ermöglicht das Schwarze Theater, bei dem schwarz gekleidete Akteure vor schwarzem Samthintergrund Gegenstände in einem Lichtkorridor bewegen.
Ersten Formen des Schwarzen Theaters konnte man bereits vor Jahrhunderten in Fernost begegnen. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts entstand in Japan eine Theaterform, die nach dem Puppenspieler Uemura Bunrakuken BUNRAKU genannt wird. Bis zu 1,50 Meter große Puppen wurden von drei Spielern geführt. Zwei von ihnen waren komplett in schwarze Kleidung gehüllt und bewegten die linke Hand und die Beine der Puppe.
Der Münchner Schauspieler und Regisseur Max Auzinger fand 1885 durch Zufall die Methode des schwarzen Kabinetts. Er steckte einen schwarz gekleideten und geschminkten Schauspieler als Mohren in die zu einem schwarzen Kerker umgebaute Bühne. Alles, was die Zuschauer jetzt noch sahen, waren zwei Reihen weißer Zähne, die über die Bühne wanderten und für einen Heiterkeitserfolg sorgten.
Auzinger nutzte diesen Effekt des schwarzen Kabinetts als Varieté-Magier danach in seinem abendfüllenden Programm „Indische und ägyptische Wunder".
Die Geschichte des Schwarzen Theaters, wie es in Prag praktiziert wurde, ist jünger als man dies erwarten würde:
Im Jahre 1955 sah die tschechische Gruppe "Salamander" vom Marionettentheater "Spejbl und Hurvinek" in Paris eine Vorstellung des französischen Puppentheaters George Lafay, der erstmals das „schwarze Kabinett" im Puppentheater einsetzte. Die Prager Puppenspieler brachten diese Technik in ihre Heimat mit und experimentierten dort weiter.
Die Geburtsstunde der ersten Gruppe des „Schwarzen Theaters Prag“ schlug vier Jahre später, also 1959 unter der künstlerischen Leitung von Josef Lamka und seiner Frau Hana Lamkova („Das sind Dinge“). Ein Jahr darauf verließ einer der Gründungsmitglieder ( Jiri Srnec ) das Ensemble und begann, ein zweites "Schwarzes Theater Prag" zu formen - die gleiche Benennung beider konkurrierender Truppen gab später dann Anlass zu einer Reihe von Missverständnissen. Nach langen Jahren ohne feste Spielstätte haben jetzt Besucher die Möglichkeit, die Gruppe im Theater „Divadlo v Celetné“ zu sehen (z.B. “Weißer Pierrot in schwarz“).
Bedrich Hanys trat 1960 mit einem frischen Diplom der Akademie der Musischen Künste in der Tasche der Ursprungsgruppe bei. Nach einem weiteren Jahr stieß Dana Bufkova, Absolventin der gleichen Akademie, zu der Truppe. Zu Beginn der sechziger Jahre unternahmen Bedrich Hanys und Dana Bufkova zusammen mit ihrer Gruppe unter der Leitung von Hana Lamkova zahlreiche Tourneen im In- und Ausland: Warschau, London, Paris ("Olympia und 18 Monate Las Vegas ("Tropicana"). Beide waren von 1966 bis 1967 in der Prager "Laterna Magica" tätig und parallel dazu gründen sie im Herbst 1967 die VELVETS.
Die Gruppe, die ihren Namen von ihrer schwarzen, aus Samt bestehenden Arbeitskleidung ableitet, emigrierte 1968 aus der Tschechoslowakei, danach reisten sie zwei Jahre von einer Stätte des Showbusiness zur nächsten: Zürich, Mailand, Paris, In Wiesbaden ließ sich das Ensemble dann 1970 nieder.
Zunächst ernähren sich Bedrich Hanys und Dana Bufkova mit der Herstellung von Trickfilmen für die ARD und das ZDF. Bekannt geworden sind ihre Plastilinfiguren aus der Sendung "Rappelkiste". Die Werkstätten des Wiesbadener Staatstheaters halfen mit der Unterstützung des damaligen Intendanten A.E. Sistig den VELVETS die "Kontraste" vorzubereiten. Nach einem erfolgreichen Gastspiel im Mainzer Theater wurden die VELVETS 1975 vom damaligen Intendanten W.D. Ludwig fest an die Städtischen Bühnen der Gutenbergstadt engagiert. Seitdem machten die VELVETS mit einer Reihe bemerkenswerter Inszenierungen auf sich aufmerksam: "Menschliche Komödie". "Der Kleine Prinz", "Nur keine Angst, Bubu!". "Alice im Wunderland", "Der Zauberer von Oz". "Sommerliches Intermezzo" und "Die Verwandlungen des Herrn K".
Die VELVETS verließen 1984 dann die Städtischen Bühnen Mainz und seitdem machten sie sich als freie Theatergruppe international einen Namen. In dieser Zeit entstanden weitere Werke im unverwechselbaren Stil der VELVETS: "Zauberlehrling", "Pinocchio", "Schneewittchen", "Hoffmanns Erzählungen", "Die Zauberflöte" "Rusalka" und "Der Sturm".
In allen ihren Inszenierungen blieben die beiden Künstler ihrem "schwarzen Kabinett" treu. So einfach dieses Prinzip erscheint, so schwierig - aber auch so reizvoll - ist es, mit seiner Hilfe scheinbar Unmögliches möglich zu machen: Figuren scheinbar schwerelos durch den Raum gleiten zu lassen" die Welt der Dinge zu beleben. Ein paar Mal haben die VELVETS in öffentlichen Veranstaltungen ihre Kunst demonstriert, das Geheimnis, das sie umgibt, ein wenig gelüftet.
Da wurde offenkundig, wie viel Geschick. Ideenreichtum und auch Akrobatik vonnöten sind, um eine plausible Handlungsabfolge lebendig werden zu lassen. Viel wichtiger noch war bei jenem Blick in die schwarzen Kulissen die Erkenntnis, dass dieses "bezaubernde" Spiel nicht Selbstzweck bleiben kann und darf. Die Velvets jedenfalls verfolgen - bei ihren bisherigen Produktionen war das deutlich zu spüren - ein sehr viel anspruchsvolleres Ziel: Im Zusammenwirken von Mensch und Ding, in dem Raum und Zeit auf handlichen Format komprimiert erscheint, Wahrheiten auszudrücken, die sich mit den Mitteln konventionellen Theaters kaum oder nur sehr schwer auf der Bühne darstellen lassen.
Dieser Aspekt stößt freilich beim modernen, "aufgeklärten" Menschen weitgehend auf Unverständnis. Allzu schnell wird das Schwarze Theater zusammen mit dem Puppenspiel in die Ecke "Kinderprogramm" abgeschoben. Dem aber liegt der folgenschwere Irrtum zugrunde, Theater für Kinder sei weder "vollwertig" noch ganz ernst zu nehmen. Dass aber gerade die Kinder die anspruchsvolleren Besuchergruppe darstellen, bleibt dabei außer acht. Und es wird nicht bedacht dass viele Zusammenhänge, die das Schwarze Theater darzustellen versucht, erst vom Erwachsenen erkannt werden können. Das Schwarze Theater richtet sich also an alle. Es ist eine sehr spezielle und sehr offene Form des Theaters zugleich: Die Velvets bemühen sich, ihr Spiel mit den verschiedensten Formen herkömmlichen Theaters zu ergänzen: Pantomime, Sprechtheater, Puppenspiel, Ballett und Gesang.
Hier sehen sie auch die Möglichkeiten einer Weiterentwicklung und Bereicherung ihrer Kunst. Die Zuschauer, gleich welchen Lebensalters, sollten sich vom Schwarzen Theater bezaubern lassen. Dies darf freilich nicht als Aufforderung zur Flucht vor den Problemen des Alltags in eine illusionäre Weit missverstanden werden. Das zauberhafte Zusammenwirken der Farben, Formen und Figuren soll es dem Betrachter vielmehr ermöglichen, aus der märchenhaften Distanz die menschliche Komödie klarer zu durchschauen.